„So, das warʼs“ – mit diesen Worten verkünden die Semmer Bürger auf ihrem Facebook-Auftritt, was manch einer bereits befürchtet hat: Der „Semmer Markt“ wird seine Türen zum 31. Januar 2023 für immer schließen. „Es war die ganzen Jahre schon ein Kraftakt und rein wirtschaftlich hart an der Grenze, aber jetzt geht es einfach nicht mehr“, erklärt Geschäftsführer Karlheinz Müller von den Semmer Bürgern im Gespräch mit dem Echo. Den Ausschlag hätten zum einen die drastisch gestiegenen Heiz- und Stromkosten, zum anderen die deutlich höheren Personalkosten nach der Anhebung des Mindestlohns im Oktober gegeben. „Es ist unmöglich, diese enormen Mehrkosten bei zurückgehenden Umsätzen aufzufangen“, macht Müller deutlich.
Bestellungen werden zum Glücksspiel
Ende 2013 hatte die „Semmer Bürger GmbH“ aus zwölf engagierten Semdern das Wohn- und Geschäftshaus in der Groß-Umstädter Straße 1 erworben und seitdem versucht,den darin befindlichen Lebensmittelmarkt für den Stadtteil zu erhalten. Nachdem zwei Pächter zwischenzeitlich aufgegeben hatten, wurde der Markt seit 2016 in Eigenregie weitergeführt und zugleich der Lieferant gewechselt. „Das lief auch ganz gut an, aber wir kamen letztlich vom Regen in die Traufe“, erklärt Müller. Jahr für Jahr seien die Umsätze zurückgegangen, „zudem sind unsere Bestellungen vor allem seit Corona zu einer Art Glücksspiel mutiert“, sagt Müller. Nie sei richtig klar, was lieferbar ist und was letztlich mitkommt. Das macht sich in den Regalen des kleinen Lebensmittelmarktes bemerkbar, in denen sich immer mehr Lücken auftun. Und zwar nicht nur bei Toilettenpapier, Mehl oder Speiseöl. „Das ist für größere Supermärkte, die etwa mehrere Sorten Räucherlachs im Sortiment haben, nicht das Problem. Bei uns gibt es dann einfach keinen Räucherlachs“, nennt Müller ein Beispiel. Ein Teufelskreis, denn die Kunden seien im Verlauf der vergangenen Jahre sowieso immer seltener in den Markt gekommen – und besorgen sich, um beim Beispiel zu bleiben, den Räucherlachs eben anderswo. Woran das liegt, weiß Müller nicht wirklich, vermutet aber Personalengpässe bei den Lieferanten.
Generell beobachten die Semmer Bürger seit Jahren eine deutliche Entwicklung hin zum Einkauf in größeren Supermärkten oder Discountern. Während viele ältere Semder früher noch ihren Wocheneinkauf im „Semmer Markt” erledigt hätten, steigen heutzutage die meisten hierfür ins Auto und verlassen ihren Stadtteil zum Einkaufen. „Die ‚neuen Altenʻ sind mobiler, die kaufen in den größeren Märkten ein. Da sind wir auch einfach zu nah an Umstadt und Dieburg“, meint Müller. Doch allein die Lippenbekenntnisse zahlreicher Leute, dass es gut sei, dass es in Semd noch eine Einkaufsmöglichkeit gibt, hätten eben am Ende nicht ausgereicht, um den Markt zu erhalten. Hierfür hätten auf die Bekenntnisse eben auch Einkäufe folgen müssen, denn die Grundversorgung sei trotz aller Lieferprobleme immer gewährleistet gewesen. „Viele Kunden kommen zwar täglich in den Markt, kaufen aber nur eine Zeitung. Davon kann ein Laden nicht überleben“, macht Müller klar.
Kommunikationspunkt im Dorf geht verloren
Bis Jahresende wird das Geschäft im Semmer Markt wie gewohnt weiterlaufen, im Januar wird dann ein Abverkauf der vorhandenen Waren erfolgen. „Etliche regionale Produkte wie Eier und Kartoffeln vom Dresselhof oder Produkte von der Molkerei Hüttenthal werden wir aber bis zum Ende anbieten“, verspricht Müller. Er bedauert dieSchließung auch, „weil ein weiterer Kommunikationstreffpunkt für unser Dorf verloren geht“. Was mit dem Gebäude und mit dem Ladengeschäft nach der Schließung passieren wird, ist noch offen. „Mit dieser Frage werden wir uns in den kommenden Wochen beschäftigen“, kündigt Müller an.
In der Kernstadt steht derweil Tegut in den Startlöchern: Am Umstädter Bahnhof, unweit von mehreren Lebensmittelmärkten, soll ein Teo-Markt eröffnen. So hatte es Bürgermeister René Kirch (unabhängig) verkündet und dazu bereits im Sommer eine Info-Veranstaltung organisiert. Ein Mini-Lebensmittelmarkt, der – inklusive Selbstbedienung an der Kasse – rund um die Uhr geöffnet hat, so das Konzept von Tegut für seine Mini-Märkte. Eine offizielle Bestätigung von Tegut gibt es allerdings bis heute nicht. „Wir können Gespräche für den Standort am Bahnhof bestätigen, aber es gibt noch keinen finalen Abschluss“, erklärt Johanna Ammermann von der Tegut-Pressestelle. Auch ein zweiter Teo-Markt in Groß-Umstadt war zwischenzeitlich im Gespräch. In einem Stadtteil, wo genau, war bislang allerdings nicht zu erfahren. Auch nicht von Tegut: „Zu weiteren Standorten kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen“, sagt Ammermann.