(Jo) Stark frequentiert war die evangelische Kirche in Semd am Pfingstsonntag. Leider ist es allerdings nicht immer so, dass die Plätze – außer von den Konfirmanden – auch von zahlreichen anderen Christen genutzt werden. Allgemein ist nämlich der Kirchenbesuch stark zurückgegangen. Auch wenn im Zeichen des 500. Jubiläums der Reformation der Rat der EKD Prof. Dr. Dr. hc. Margot Käßmann als Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017 berufen hat. Sie gehört zu den bekanntesten Deutschen der Gegenwart und im größten Sonntagsblatt Deutschlands schreibt sie regelmäßig Kolumnen. Mit ihrer von Martin Luther geprägten Frömmigkeit setzt sie Akzente. Und mit ihren Kontakten gewinnt sie Menschen zum Mitfeiern, wo auch immer.
Am Sonntag war aber nicht das Wort der früheren Landesbischöfin und EKD-Ratsvorsitzenden Magnet für den Kirchenbesuch, sondern die Eröffnung der Fotoausstellung „Konfirmationsbilder aus über 100 Jahren“. Initiiert vom Verein „Semder Heimatgeschichte“.
Dessen Vorsitzender, Karlheinz Müller, übernahm es nach dem Gottesdienst die Ausstellung offiziell zu eröffnen. Die erste große Fotoausstellung, so Müller in seiner Ansprache, fand an Kerb 2005 im Feuerwehrhaus statt. Damals wurden Bilder von Semd aus den letzten 100 Jahren, Postkarten, Gastwirtschaften und Specerei-Krämereien, Straßen, Festbilder, Bilder vom Dorfalltag und vieles mehr gezeigt.
An Kerb 2008 fand dann eine Fotoausstellung mit dem Thema „50 Jahre „Landrat-Gruber-Schule“ Semd“ statt. Seinerzeit hatte der Verein Schulbilder aus über 100 Jahren zusammen getragen. Zum 700-jährigen Dorfjubiläum an Kerb 2012 schließlich wurde die Fotoausstellung mit dem Thema „Landleben“ präsentiert. Zur jetzigen Ausstellung seien im Verlaufe der letzten zweieinhalb Jahre zahlreiche Konfirmationsbilder, Konfirmationssprüche und Gottesdienstblätter aus Konfirmationsgottesdiensten zusammen getragen worden. Das älteste Konfirmationsgruppenbild datiert aus 1906, die älteste Ausfertigung eines Konfirmationsspruches aus dem Jahr 1877.
Er danke an dieser Stelle allen, so der Vorsitzende, die Bilder zum digitalisieren zur Verfügung gestellt hätten. Zudem danke er all jenen die mithalfen die Namen der Konfirmanden zu recherchieren, insbesondere Renate Filip, die im Kirchenarchiv viele Namenslisten herausgesucht und von der Sütterlin-Schrift übersetzt hat. Dank sage er zudem allen, die bei der Organisation und Vorbereitung der Ausstellung beteiligt waren. Hier gehe ein besonderer Dank an Ulrike Bauersfeld, Gudrun Lämmermann und Hiltrud Ruppert vorn Ausschuss für das Gemeindeleben der evangelischen Kirchengemeinde Semd.
Ein abschließendes Dankeschön gebühre schließlich der evangelischen Kirchengemeinde selbst, welche der Verein „Semder Heimatgeschichte“ für dieses Projekt begeistern konnte. Die Ausstellung werde noch bis zum 25. Juni in der Kirche präsentiert.
Die Vorbereitung einer solchen Ausstellung sei, so Müller, stets mit einem sehr intensiven Blick in die Geschichte verbunden. Und beim einscannen der Bilder sowie der Recherche zu den jeweiligen Namen habe er sich unweigerlich an zahlreiche Begebenheiten und Anekdoten mit den verschiedensten Personen konfrontiert gefühlt.
Noch einmal sei sein Blick fünf Jahrzehnte zurück in die „gute alte Zeit“ geschweift, wie er noch Jugendlicher war. Auf alle Fälle war damals die „Semmer Besch“ noch nicht verkastelt und prägte das alte Ortsbild. Er selbst habe mit 15 Jahren seine Lehre bei der damaligen Genossenschaftsbank eG Groß-Umstadt begonnen. In seinem letzten Lehrjahr 1972 wurde die erste Filiale der Genossenschaftsbank in Semd gebaut und eröffnet. Zur Eröffnung sei damals extra eine Goldmünze von der Bank aufgelegt werden. Als Motiv ist die Semder Kirche, das Semder Wappen und der Otzberg zusehen – überschrieben mit „Gemeinde Semd“. Neudeutsch gesagt, sei das damals schon ein besonderes „Highlight“ gewesen.
In der Nachbarschaft seines Elternhauses war bei der Metzgerei von Karl Mohrhard samstags immer der Teufel los. Es kam vor, dass der Laden so voll war, dass sich Warteschlangen vor der Eingangstür bildeten.
Rund 10 Jahre später, im Jahre 1981, bekam „de Some Klaus“ die Baugenehmigung für das große Wohn- und Geschäftshaus, das an der Stelle des alten Gasthauses „Lengfelder“ errichtet wurde.
Jeder kaufte seinen Lebensbedarf in Semd ein. Der einzige große Einkaufsmarkt den es damals gab, der „Massa-Mark “ in Stockstadt bei Aschaffenburg, war weit weg.
Neben den Geschäften gab es auch noch jede Menge Kneipen im Ort. Kurzum, es war einfach was los in Semd. Und das war auch im Umland bekannt.
Und heute:
Von den ehemals 13 Gastwirtschaften in Semd ist seit langem nur noch die Krone übrig geblieben. Die ehemalige Genossenschaftsbank Groß-Umstadt, umfirmiert zur Volksbank und in etlichen Fusionen selbst untergegangen. Die stolze Semder Voba-Filiale schloss jetzt ihre Pforten. Einen Geldautomaten will man eventuell als Ersatz aufstellen.
Die Metzgerei Mohrhard schloss zum selben Zeitpunkt ihren Verkaufsladen. Eine Auswahl von Wurst- und Fleischwaren gibt’s weiter als SB-Ware im „Semmer Markt“.
Heute sind die Geschäfte nur noch für die Alteren Semmer, die nicht mehr Auto fahren können, und ein paar wenige, die die ortsansässigen Geschäfte aus Prinzip erhalten wollen ein Anziehungspunkt.
Der Blick in die Zukunft stimme, so Müller, nicht gerade verheißungsvoll. Wie verlaufe wohl die künftige Entwicklung des „unbeugsamen gallischen Dorfs“ in den nächsten Jahren, oder wie die Römer sagen würden: „Quo Vadis, Semd?“
Das Rad der Zeit könne man leider nicht mehr zurück drehen: „Was gescheh’n ist, ist gescheh’n!“ Aber es dürfe nicht so weit kommen, dass auch Semd, wie so viele andere Dörfer, sich zum reinen Schlafort entwickelt. Vielmehr müsse es lebendig bleiben und alle hätten das selbst in der Hand, so der Vorsitzende der „Semder Heimatgeschichte“ zum Schluss seiner Ausführungen.
Die Ausstellung ist jeweils Sonntags geöffnet, also am 5. Juni, 11. Juni, 18. und. 25. Juni 2017 nach den jeweiligen Gottesdiensten bis 12.30 Uhr. Am 11. und 18. Juni lädt zudem der Verein „Semder Heimatgeschichte“ von 14 bis 17 Uhr zu Kaffee und Kuchen im Kirchgarten beziehungsweise in der Kirche ein.