In den ersten Tagen im August 1743 brach auf der Bundenmühle bei Lengfeld ein Brand aus. Der Müller der benachbarten Heydenmühle eilte mit seinen Leuten seinen Nachbarn zur Hilfe. Als der Heydenmüller zurück kam, musste er feststellen, das das Ganze ein Ablenkungsmanöver war und in der Zwischenzeit seine Mühle ausgeraubt wurde.
An diesem Tag begleiteten 2 Reiterknechte „adeligen Besuch“ vom Otzberg gegen Abend auf dem Heimweg bis an die Stadttore von Groß-Umstadt. Auf dem Rückweg sahen sie einen gewaltigen Feuerschein bei Lengfeld und dachten der ganze Marktflecken brenne. Auf Höhe des Hoßberges erkannten sie allerdings ihren Irrtum, dass nicht Lengfeld brennt, sondern die Bundenmühle. Sie sahen aber auch einen weiteren Feuerschein jenseits der Wiesen bei der Taubensemd. Die Reiterknechte schlichen sich an und belauschten die wilden Gesellen, denen der Türkenhannes seine Geschichte erzählte:
Schweger stammte aus Steinbach bei Mudau und war 1717 mit den Truppen von Prinz Eugen in die Schlacht gegen die Türken gezogen, geriet bei Belgrad in Gefangenschaft und wurde in die Türkei verschleppt. Jahre später gelang ihm auf einem Schiff die abenteuerliche Flucht. So kam er zu dem Namen „Türkenhannes“. Bei seiner Erzählung wurde auch von dem Raub auf der Heydenmühle gesprochen.
Nach ihrer Rückkehr auf der Burg berichteten die Reiterknechte von ihrer Entdeckung. Der Kommandant beschloss geeignete Maßnahmen, um das Räubernest auszuheben und benachrichtigte die Groß-Umstädter. Am nächsten Tag kam es dann zu einem Scharmützel mit den Räubern in der Umstädter Hohl. Die Soldaten vom Otzberg und die Umstädter Stadtwache umzingelten mit Bauern aus Lengfeld die Räuber. In dem nun folgenden Kampf konnte allerdings der Türkenhannes entkommen, nachdem er einen ehemaligen Husarenrittmeiser namens Stephan Olla niedergeschlagen hatte. Er flüchtete auf den Hundertmorgen in eine nahegelegene Schlucht, „Rabenloch“ genannt. Die anderen Räuber wurden festgenommen, verurteilt und am Groß-Umstädter Galgen nahe des Landgrabens zur Semder Grenze hingerichtet. Die Gegend bei Lengfeld, in der der Kampf stattfand, trägt daher heute noch den Namen „Franzosengrund“.
3 Jahre später, am 6. Juni 1746 war Hochzeit auf dem Otzberg. Man veranstaltete ein Volksfest zu dem auch ein Schießstand gehörte. Ein Fremder wollte zum Preisschießen zugelassen werden. Es kam zum Streit, der Fremde wurde als Türkenhannes von Olla erkannt und nach kurzer Flucht von Otzberger Soldaten festgenommen.
In Groß-Umstadt wurde er dann, wie 3 Jahre vorher seine Kumpanen, vor Gericht gestellt, verurteilt und am 24. Januar 1747 auch am Umstädter Galgen hingerichtet.
Soweit in Kurzfassung „eine alte Geschichte aus dem Odenwald“, die sehr ausführlich mit viel Details und Ausschmückungen von dem Heringer Pfarrer Josef May unter dem Pseudonym „Robert Gerkenner“ geschrieben wurde. Sie erschien erstmals in der „Starkenburger Provincial-Zeitung“ in Dieburg am 14.12.1904 und „könnte“ sich sehr wohl, auch in ihrer Ausführlichkeit, so zugetragen haben.
Nach Recherchen des Umstädter Heimatforschers und früheren Amtsrichters Peter Füßler lässt sich aber aufgrund von Unterlagen im Stadtarchiv nur nachweisen, dass im Juni 1746 in Frankfurt am Main eine Räuberbande verhaftet werden konnte, die zuvor im Mai die „mittlere Oberwiesenmühle“ von Johann Georg Lautz in Umstadt überfallen hatte. Bei dieser Mühle handelte es sich um die heutige Haxenmühle. Anführer dieser Bande war eben der Johann Georg Schweger, genannt der Türkenhannes. Ebenfalls ist der Prozess gegen die Bande in Groß-Umstadt nach Aufzeichnungen in den „Bürgermeister-Rechnungen“ nachweisbar und auch das Datum der Hinrichtung ist belegt und stimmt mit dem von Gerkenner überein. Das ist aber nach bisherigem Nachforschungsstand schon alles, was an der „alten Geschichte aus dem Odenwald“ und dem Türkenhannes bewiesen ist.
Karlheinz Müller