Die Gemarkung
Die Gemarkung Semd umfaßt 1599 ha Land, davon sind ca. 800 ha Wald, der dem Land Hessen gehört. Im Süden und Osten grenzen die Gemarkungen Habitzheim und Groß-Umstadt bis fast an die heutigen Ortsgrenzen von Semd. Während im Norden und Westen die Semder Gemarkung bis an die Ortsbereiche von Richen, Altheim, Dieburg und Klein-Zimmern heranreicht.Die sogenannte Forstmühle in Altheim gehörte bis zum Jahre 1927 zu Semd.
Der alte Ortskern
Ernst-Reuter-Straße
früher BachgasseDie von der Gemeinde eingestellten Hirten, die in Semd meistens die Schweine und die Gänse hüteten hatten ihr Zimmer in einem der zwei sogenannten Gemeindehäuser, die es für besitz- und mittellose Bürger in Semd gab. Der letzte Semder Gänsehirt stellte seine Tätigkeit erst 1952 ein. Allmorgendlich zog er mit seiner Klepper durch die Straßen und sammelte die Gänse ein. Eine ansehnliche Gänseherde trieb er dann in den sogenannten Gänseanger, ein eingezäuntes Stück gemeindeeigene Wiese am Bach, das sich dort befand, wo heute die Kläranlage ist. Dort blieben die Gänse, oft 200 300 Stück, bis zum Abend.
Zum Amt des Schweine- bzw. Gänsehirten gehörten meist auch die Aufgaben des Nachtwächters. Stündlich nach Einbruch der Dunkelheit ging er mit seinem „Nachtwächterspieß“ durch die Straßen und rief die Zeit aus. So vermittelte er der schlafenden Bevölkerung ein gewisses Gefühl der Sicherheit.
Gefördert durch die Großherzogliche Verwaltung wurde 1830 der erste, gemeindeeigene Faselstall in der Grafenstraße gebaut. In ihm waren zur Förderung einer geordneten Tierzucht zwei bis drei Bullen, zwei Eber sowie meist zwei Ziegenböcke untergebracht. Die Viehhalter durften ihre weiblichen Tiere nur von diesen gekörten Vatertieren decken lassen. Der Neubau eines Faselstalls mit Wohnung wurde 1928 in der heutigen Hügelstraße errichtet. Der letzte Faselwärter (Ochsenfütterer), der dort gleichzeitig wohnte und seinen Dienst versah, war Johann Seibert (genannt "Dine Joa"). Johann Geier war dann der allerletzte Ochsenfütterer. Ende der 60er Jahre wurde die gemeindeeigene Bullen- und Eberhaltung aufgegeben, verdrängt durch die künstliche Besamung. Heute befindet sich in den ehemaligen Stallungen und dem Heuboden Schießstand und Schützenhaus des Semder Schützenvereins.
Ein öffentliches Backhaus wurde um 1870 im ehemaligen Schulhaus in der Bachgasse eingerichtet. Hier hatte jede Familie die Möglichkeit, ihr Brot oder ihren Kuchen zu backen. Brennmaterial mußte jeder selbst zur Verfügung stellen. Die "Backesfraa" überwachte den Backvorgang, und unter ihrer Aufsicht wurde die Reihenfolge des Backens ausgelost.
In Semd wurde erst 1952 eine Wasserleitung verlegt. In der Zeit davor mußten sich daher die Haushalte aus den Dorfbrunnen mit Frischwasser versorgen. Ein oder zwei solcher Brunnen waren damals beinahe in jeder Straße vorhanden. In der damaligen Heckengasse (heutige Dieburger Straße) hatten jedoch wegen des hohen Grundwasserspiegels viele Anwohner einen eigenen Brunnen. Der "Beschgasse-Burn" befand sich vor dem heutigen Wohnhaus von Otto Schwarz (Auto-Werkstatt).
Grafenstraße
bis Kirchgasse Ecke StorchengasseEin Universaltalent war der „Pullersch Hannes“ – Johannes Pullmann (Großvater des heutigen Stadtverordnetenvorstehers von Groß-Umstadt Karl Dörr). Er war Musiker, Frisör, Wagner und hatte einen Drogerie-Laden. Nebenstehendes Bild zeigt das Haus (Grafenstraße Ecke Glockengasse) bevor es von Johannes Pullmann gekauft und umgebaut wurde.
Glockengasse
früher KirchgasseDie Semder Kirche: In einer kurz vor dem 30-jährigen Krieg angefertigten Beschreibung lebten damals 292 Einwohner in Semd. Es wird auch von einem Kirchlein berichtet. Dagegen wird keine Angabe gemacht über dessen Entstehung und Größe.
Während der Wirren des 30-jährigen Krieges fielen viele Einwohner der Pest zum Opfer, andere suchten Zuflucht in Umstadt, was befestigt war, wo allerdings ebenfalls Hunger und Pest Opfer forderten. Semd wurde im Verlauf des Krieges zu einem Trümmerhaufen und zur Einöde. Selbst das Kirchlein war in einen Schutthaufen verwandelt worden.
Nach einem Bericht vom 14.11.1778 hat die Superintendentur Darmstadt der Pfarrei Umstadt einen Geldbetrag geschenkt mit der Bedingung: "Für die Reparatur und Erweiterung der Kirche in Semd." Daher muss angenommen werden, daß ursprünglich kein Neubau der Kirche in Semd beabsichtigt war.
Doch im Jahr 1792, so geht aus einer Urkunde hervor, wurde eine neue Kirche gebaut, wahrscheinlich an der Stelle der vorher erwähnten alten Kirche. Das am Eingang eingemauerte Figurbild (Kreuzigungsgruppe) soll nach dem dreißigjährigen Krieg im Feld bei Klein-Zimmern gefunden worden sein. Von woher Kriegsvölker während des dreißigjährigen Krieges dieses dorthin verschleppten und wie alt es sein könnte ist unbestimmt.
1654 wurden nach dem 30-jährigen Krieg 24 Männer (Frauen wurden damals nicht mitgezählt) als Einwohner namentlich erwähnt. Im Jahr 1793 war Semd schon ein großes Dorf, dessen 1365 Einwohner sich hauptsächlich von der Landwirtschaft ernährten.
Trotz allen Fleißes blieb die Semder Bevölkerung von Mißernten und Notzeiten nicht verschont. Besonders 1847 und 1854 brachen in Folge eines totalen Ausfalls der Kartoffelernte und einer Mißernte beim Getreide Hungersnöte aus. Dies und auch die politische Entwicklung nach dem Revolutionsjahr 1848 führte zu einer starken Auswanderungsbewegung. Besonders nach Amerika wanderten viele Semder aus. Auch das ging nicht ohne Bürokratie ab. Ein Antrag mußte zwecks Entlassung aus dem Untertanenverband an das Großherzogliche Kreisamt in Dieburg gestellt werden. Aus Unterlagen im Gemeindearchiv Semd geht hervor, daß besonders in den Jahren bis 1859 ganze Familien ihre Heimat für immer verließen.
Bis 1928 ist oben im Saal noch Kerb gefeiert worden. Um 1900 muß es im Saal eine Riesenschlägerei gegeben haben, als vier Studenten – Brüder aus Dieburg – bei der Kerb den Semder Burschen die Mädchen ausspannten.
Weil irgendeiner auch noch das Licht ausgemacht hatte, warfen sich die Raufbolde dann im Dunkeln gegenseitig die Treppe runter, dass die Knochen splitterten. Angeblich hat erst die Polizei die Kampfhähne trennen können. Weil die Dieburger Brüder mit Nachnamen Völker hießen, ist das Ereignis später als „Völkerschlacht bei Rhein“ in die Ortsgeschichte eingegangen.
Dieburger Straße
früher HeckengasseEin paar Häuser weiter Richtung Dieburg hatten „Kauls“ (Renkel) ihren Laden, in dem man auch Schulbedarf kaufen konnte.
Die letzten Häuser in der Heckengasse waren die der Familien Zacheiß und Kolb.
Auf der heutigen Verkehrsinsel befand sich das Wiegehäuschen, mit Viehwaagen im Innern und einer „Brückenwaage“ für Fuhrwerke außen.
Grafenstraße
über Kurt-Schumacher-RingDie Ecke Grafenstraße/Heinrichstraße war früher das eigentliche Zentrum von Semd. Hier waren das Gasthaus „Zum Saalbau“ („Beim Halbdick“, früher Gasthaus zur Republik), das Gasthaus „Zur Harmonie“, die alte Schule (später Rathaus, heute Kindergarten) und die Bürgermeisterei zu finden.
Der Saal vom "Saalbau" wurde als Tanzsaal zur Kirchweih und auch als Kino genutzt. Laut Beschriftung eines Eckbalkens wird als Baujahr 1625 genannt. Dies wäre jedoch noch vor Ende des 30-jährigen Krieges gewesen. Es dürfte daher vermutlich lediglich ein alter Balken verbaut worden sein.
In der "Harmonie" wurde die Decke des Tanzsaals entfernt, damit die Turner darin üben konnten, da es eine Turnhalle damals noch nicht gab. Auch der damalige Männeresangverein "Sängerlust" hielt in der "Harmonie" seine Übungsstunden und Veranstaltungen ab.
Im heutigen Anwesen Ohl (Nette) befand sich um die Jahrhundertwende die “Großherzoglich Hessische Bürgermeisterei Semd“. Bürgermeister Johannes Voltz 2. (Bau der Volksschule 1910) stammte aus diesem Haus.
Die Bürgermeisterei diente gleichzeitig als Poststelle und Umspannstation für Postkutschenpferde und es war eine "Öffentliche Fernsprechstelle" darin untergebracht. Außerdem betrieb Johannes Voltz 2. eine "Specerei- und Mehlhandlung". 1870 wurde es zu seiner heutigen Form umgebaut. Um 1800 war das Haus das Gasthaus "Zum Engel".
Heinrichstraße / Lichtenbergstraße
früher Schulstraße / Lichtenbergstraße – GässjeOtzbergstraße
früher Habitzheimer Straße, davor MühlgasseNur zwei Häuser weiter auf der gleichen Straßenseite war die "Kathrine Käth". Bereits 1859 wurde eine Erlaubnis zum Wirtschafts- und Specereibetrieb vom Großherzoglichen Kreisamt erteilt. 1933 erhielt Katharina Vogel eine Konzession, daher „Kathrine Käth“.
Genau gegenüber war das Gasthaus „Zur Post“. Das Gebäude wurde 1895 von Ludwig Eidmann erbaut. Eine Wirtschaftskonzession liegt laut Archiv von 1927 vor. In der "Post" wurde in den 50er und 60er Jahren die Kerb gefeiert. Mit ihrem großen Saal war sie im weiten Umkreis als Tanzlokal sehr beliebt.
Am Ortsende befand sich die Obermühle. Bereits 1580 wird ein Hanß Seyffryt urkundlich als Obermüller benannt.
Oberendstraße
Das In der Oberendstraße ehemals befindliche Gasthaus wurde von den Semdern „Beim Sattler“ genannt. Auch hier befand sich neben der Gastwirtschaft noch ein Lebensmittel-Laden. Nach einer Urkunde erhielt bereits 1862 ein Michael Koch die Erlaubnis zum Betrieb einer Zapfwirtschaft. Bis vor kurzem befand sich in diesem Haus eine Pizzeria.Gegenüber vom „Sattler“ hatte der „Mauße-Bäcker“ seine Backstube und seinen Verkaufsladen.
Neben dem Sattler lag das große landwirtschaftliche Anwesen von „Hansfiehlersch“, gefolgt vom Landhandel von Heinrich Koch.
Ab der Winkelgasse beginnt der „Gaasebersch“, so benannt, da ab hier die Einwohner keine Kühe mehr hatten, sondern Ziegen (die Kühe des kleinen Mannes) hielten. In der Oberendstraße gab es zwei Dorfbrunnen, einer in Höhe der heutigen Winkelgasse, der andere unten am Bachlauf vor dem Anwesen von „Buschustersch“ (Allmann). Das Anwesen gegenüber hat auch den bezeichnenden Namen "Burn-Schustersch".
Rebenstraße
früher Weinbergstraße Adam Storck 4. schrieb 1927: „Schrecklicher aber als die Soldatenhorden des 30-jährigen Krieges hauste bei uns die Pest. In der ersten Hälfte des Krieges waren viele Bewohner vor den Soldaten von Semd nach Umstadt geflohen. Die zurückgebliebenen fielen der Seuche zum Opfer. Die Höfe zerfielen, die Äcker bedeckten sich mit Unkraut und Gestrüpp. Als endlich der Friede kam, war das Dorf ein wüster Schutthaufen.Am Ende des Dorfes (hinter der ehemaligen Schmiede von Adam Storck) stand noch ein halbzerfallenes Haus, das dem früheren „Gemeindemann“ Vogel gehört hatte. Er selbst war nicht mehr da. Aus dem zusammengebrochenen Herd war ein kräftiger Strauch gewachsen, und in ihm hatte sich ein Turteltaubenpaar sein Nest gebaut. Das trauliche Heim sahen zwei übriggebliebene Männer Menges und Mohrhard. Auch sie bekamen Sehnsucht nach einer Heimat und beschlossen, sich wieder in Semd anzubauen. Andere, die nach Umstadt geflohen waren, kamen zurück; und so entstand, wie man damals sagte, ein großes Dorf, obwohl es kurz vor dem Krieg nur 292 Einwohner zählte und zwar 58 Männer, 60 Ehefrauen und Witwen, 88 Söhne und 86 Töchter. Die Lage der Zurückgekehrten war traurig und man erzählte zum Trost gern von der guten, alten Zeit „da war Semd besser; damals waren die Leute so reich, dass sie ihren Pferden silberne Hufeisen auflegten und ihre Äcker mit silbernen Pflügen bauten.“
Der Weinbau muß wohl um 1870 aufgegeben worden sein. Auf ihn weisen nur noch Flurnamen wie "Die Semder Wingerte" oder der Straßenname Rebenstraße (früher Weinbergstraße) hin.
Groß-Umstädter Straße
früher Richer Straße – über Stielpfad und Rebenstraße An der Stelle der heutigen Grünanlage befand sich früher das Anwesen der Familie Georg Storck 8. Da er von Beruf Schreinermeister war, hatte er den Namen „Sturkeschreuner“. Georg Storck 8. war von 1928 bis 1938 Erster Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Semd. Aus diesem Haus stammt auch Adam Storck 4. (Zeppelin), ein Bruder von Georg Storck 8. und einer der ersten Heimatforscher unseres Dorfes.Gleich um die Ecke befand sich ebenfalls ein Dorfbrunnen, der „Schul-Burn“.
Etwas weiter oben, auf der anderen Straßenseite, war das Gasthaus von Georg Menges 3.
Der Sand, der für den Bau benötigt wurde, wurde im Einsiedel von einem Acker der Familie Storck (Rebenstraße) abgetragen. So entstand für diese Familie der Name „Soandmoanns“.
Genau gegenüber befindet sich das „Cafè Jakob“; davor „Café Schneider“. Auch in diesem Lokal war ein Tanzsaal vorhanden, der auch als Kino genutzt wurde. Nach bisherigen Recherchen stand davor hier das alte Forsthaus, in dem auch der Förster Gambs wohnte, nach dem die „Gams-Eiche“ benannt ist. Hier gehts zu den Bildern