Kerb

Die Semmer Kirb-Tradition

Von Karlheinz Müller
Und wieder kündet der Kalender, den ersten Sonntag im September. An diesem Termin findet nach alter Tradition die Kirchweih in Semd statt. Zwar gibt es Aufzeichnungen, nach denen die Kirchweih bis ca. 1700 um den Sankt Jacobstag (25. Juli) gefeiert wurde, aber das ist wirklich schon sehr lange her. Wie dem auch sei, die Kirchweih wurde und wird in Semd schon immer Kirb genannt. Daher gab und gibt es auch keine Kerwe- oder Kerbburschen, sondern nur Kirbburschen – und seit einigen Jahren auch Kirbmädchen.

Einige der ehemals über lange Zeit bestehenden 13 Semder Gastwirtschaften hatten ihre eigenen Kirbburschen, die für sie die Kirb aufzogen. So mancher Kirbbursche mied über die Kirbtage das Elternhaus und verbrachte die Zeit nur in seiner Wirtschaft.

Bereits 8 Tage vor der Kirb wurde von den Kirbburschen sonntags die Kirb angetrunken.

Kirbsamstagabend banden die Kirbburschen den Kirbstrauß, der aber eigentlich mehr eine Glocke bzw. Krone war. Die benötigen Blumen wurden von den Kindern gesammelt, die Bänder von den Kirbburschen gekauft. Der Kirbstrauß wurde dann in das Haus eines Kirbburschen gebracht, der möglichst am Ortsrand wohnte.

Am Kirbsonntag-Nachmittag stellte sich vor jeder Kirbwirtschaft der Kirbzug auf: Mit dem Siebreiter an der Spitze – man sagte auch: „Das Schimmelchen wird geritten“ – ging es mit Musik zum Haus in dem der Kirbstrauß aufbewahrt wurde. Hinter dem Siebreiter folgten 2 Kerbburschen mit einem Gestell, an das der Kirbstrauß gehängt wurde. Danach kamen die Musikanten und dahinter die Kirbburschen, jeder mit einer Flasche Wein mit übergestülpten Glas in der Hand. Am Haus angekommen, wurde der Kirbstrauß mit einem Tusch an das Gestell gehängt und es ist dann auch im Freien getanzt worden. Danach ging's zurück zur Kirbwirtschaft. Zum Zeichen der Kirb wurde der Kirbstrauß außen an der Kirbwirtschaft befestigt. Dann wurde der gereimte Kirbspruch gehalten. Dieser wurde vom Sprecher mit Pausen unterbrochen, die er mit den Worten einleitete: „Kamerad schenk ein, es muss einmal getrunken sein!“ Am Ende des Kirbspruchs zerschmetterte der Reder sein Glas mit den Worten: „Wenn dieses Glas nicht bricht, dann taugt die ganze Kirchweih nicht.“

Nach dem Kirbspruch spielte die Musik zum Kirbtanz auf. Vor 1850 gab es in Semd noch keine Wirtschaft mit einem Tanzsaal. Der Kirbtanz fand im Rathaussaal statt Das Rathaus mit Bagges stand damals in der „Beschgasse“, heutige Ernst-Reuter-Straße.

Semd gehörte früher zum Teil zu Hessen-Darmstadt, zum Teil zur Churpfalz. Der Bach bildete die Grenze zwischen beiden Teilen. Der Pfälzer Teil bildete etwa ein Drittel des Dorfes und war reformiert, die übrigen zwei Drittel waren lutherisch und hessisch. Damit für den Wein, der damals auf der Kirb verzapft wurde, keine Steuern bezahlt werden musste, fuhr man den Wein auf einem zweirädrigen Karren – einem Pflugvordergestell – in den Bach und verzapfte dort den Wein.

Um 1870 gab es bereits mehrere Wirtschaften mit Tanzsälen. Es waren dies vor allem das Gasthaus „Zur Harmonie“ und das Gasthaus „Zur Krone“.

Um 1870/80 zogen die Kirbmusikanten am Kirbmontagmorgen von Haus zu Haus und spielten den Morgensegen. Mit dabei waren die Kirbburschen, die nicht nach Hause gehen wollten. Nachmittags begann dann wieder der Kirbtanz.

An Kirbdienstag wurde bei eingebrochener Dunkelheit abends die Kirb begraben. Bei diesem alten Brauch wurde ein mit Wasser gefüllter Weinkrug begraben. Die Kirbburschen waren mit Hacken und Schippen dabei. Einer hatte ein Stalllaterne bei sich. Mit Lärm zogen sie vor das Dorf. Jedes Jahr an einer anderen Stelle hoben sie ein Loch aus. Dabei wurde vom Kirbmerkel eine kleine Ansprache gehalten, der Krug hineingelegt und das Loch zugeworfen. Anschließend maschierte man zur Kirbwirtschaft zurück. Die Kirb war aus!

Vier Wochen später fand die Nachkirb statt. Zeitweise wurde weitere 3 Wochen später dann die Krotzekirb gefeiert.

Der Kirbstrauß blieb solange hängen, bis er verwittert war.

Zur diesjährigen Semmer Kirb wird der Heimatverein Semd zusammen mit den Kirbburschen und -mädchen, den alten Brauch mit Kirbzug, Siebreiter, Kirbmusikanten und Abholung des Kirbstraußes in einer alten ehemaligen Semmer Traditionskirbwirtschaft wieder aufleben lassen. Heimatverein und Kirbburschen freuen sich schon heute darauf, wenn zahlreiche Schaulustige diesem Spektakel am Kirbfreitag, 30.08., um 18:30 Uhr, auf dem Kirbplatz beiwohnen.