Etwa im Jahr 1920 führten die Großeltern Georg Schneider und seine Ehefrau Christine (geborene Wolff) eine Bäckerei in Dieburg. Aber im katholischen Dieburg war es für evangelische Geschäftsleute schwer sich zu etablieren. Die Umsätze stagnierten und so entschlossen sich beide 1927 nach Semd umzusiedeln, wo sie in der Groß-Umstädter Strasse ein Haus erwarben. Das Haus wurde von ihnen umgebaut und hier die bis heute noch existierende Bäckerei nebst Cafe und Gaststätte integriert.
Zunächst betrieben die Großeltern allerdings neben der Bäckerei nur ein reines Cafe, denn eine Ausschankgenehmigung für alkoholische Getränke wurde erst um 1930 erteilt. Eigens für diesen Nachmittag präsentierten Norbert Jakob und seine Ehefrau Erika einige historische Utensilien aus der guten alten Zeit. So sah man einen prachtvollen alten Spiegel, eine alte Waage, historische Backformen, nostalgische Bücher, einen Jugendstil Garderobenständer, eine alte Filmrolle und einiges mehr.
Unter den vielen alten Bildern, die Karlheinz Müller an diesem Nachmittag mittels Beamer auf die Leinwand warf, war auch das Foto eines fahrbaren Eiswagens. Das war im Jahr 1936 die erste fahrbare Eismaschine in Semd. Der Zweite Weltkrieg brachte schwere Zeiten für die Bevölkerung mit sich, auch für die Geschäftswelt. Die Tochter der Inhaberfamilie Schneider, „Kätta" Schneider, lernte Heinrich Jakob kennen und lieben. Die beiden heirateten und Sohn Norbert wurde geboren. Eigentlich war Vater Heinrich Autoschlosser in Nieder-Klingen, später noch bei der Firma Wiest in Darmstadt. Aber wer ein Handwerk erlernt hat, der ist auch für das Bäckerhandwerk geeignet. So schulte Heinrich Jakob um und war fortan in der Bäckerei in Semd tätig. Im Jahre 1953 legte er sogar die Meisterprüfung im Bäckerhandwerk ab. Das Geschäft lief gut und so entschloss sich die Familie 1956 ein Kino im großen Saal einzurichten. Von den Kinoerlebnissen schwärmt noch heute Hans Kreuzer. Schon im Schulbubenalter verdiente er sich als Filmvorführer ein gutes Taschengeld. Später übernahm er profimäßig die Filmvorführungen in Semd, Langstadt und Spachbrücken. Sehr beliebt waren damals die „Zorro" Filme, oder die Eddy Constantin Serien, aber auch Westernfilme und die Ganghofer Episoden waren sehr gefragt.
Der Film-Schaukasten hing seinerzeit am Haus von „Gretchen" Heimer. Damals, so Hans Kreuzer, fühlte er sich wie Boris Becker, denn ein Filmvorführer stand bei den Mädels ganz hoch im Kurs. Fortan herrschte ein reges gesellschaftliches Leben. Der früher noch existierende Mandolinenclub hielt hier seine Übungsstunden. Unvergessen sind die auch die legendären Fastnachtsveranstaltungen. Die Schützengesellschaft „Hubertus" Semd richtete im Januar 1956 Luftgewehrschießstände ein. Diese mussten aber immer wieder wegen der Kinovorführungen ständig ab und wieder aufgebaut werden. So kam der Schießbetrieb 1958 zum erliegen. Zehn Jahre später kam es zur Wiedergründung der Schützengesellschaft und wieder wurde im Cafe „Jakob" geschossen. Erst im Dezember 1971 wechselten die Schützen in ihr neues Domizil, dem damals zum Schützenhaus umgebauten ehemaligen Faselstall in der Hügelstraße.
Mit Stolz erzählte Norbert Jakob von den halsbrecherischen Fahrten seines Vaters mit dem Motorrad Beiwagengespann. Es gelang ihm sogar einmal während des Trainingsbetriebs zum Dieburger Dreiecksrennen sich unter die Fahrer zu mischen. Dabei fiel er durch seine exzellente Fahrweise auf. Eine Abordnung des Rennveranstalters machte den jungen Mann ausfindig und wollte ihn als Rennfahrer verpflichten. Da spielte aber die Ehefrau nicht mit: „Entweder die Familie und die Bäckerei, oder ...." Von da an pflegte Heinrich Jakob seine Leidenschaft nur noch privat. Auf seinem Hof standen oft Motorräder, die der gelernte Autoschlosser, hilfsbereit wie er war, reparierte. Selbst die Bauern kamen oft zu ihm oder riefen ihn aufs Feld, um einen Bulldogg wieder zum laufen bringen. Sohn Norbert schwärmt noch heute von einem vom Vater gebauten Kinderauto, das sogar einen Motor besaß. Mit diesem fuhren Vater und Sohn sogar einmal zum Tanken nach Dieburg und das über die B45. Heute wäre das, so der Sohn im Rückblick, wohl undenkbar.
Norbert Jakob erlernte ebenfalls den Bäckerberuf, legte 1973 die Meisterprüfung ab und übernahm 1981 das Geschäft, das er bis heute zusammen mit seiner Ehefrau führt. Viele Bilder waren nun noch auf der Leinwand zu sehen und etliche Personen auf den Bildern wurden erkannt. So begann das eifrige Erzählen untereinander und die Geselligkeit nahm bei Kaffee und Kuchen fast kein Ende.
Die Frage von Karlheinz Müller, ob man denn wieder einmal zu einem Erzählcafe einladen solle, wurde einstimmig bejaht. Viele der Besucher dürften es kaum abwarten können, bis es wieder heißt: „Erzähl doch mal von früher".